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Titel
Verehrter Feind. Amerikabilder deutscher Rechtsintellektueller in der Bundesrepublik


Autor(en)
Harwardt, Darius
Erschienen
Frankfurt am Main 2019: Campus Verlag
Anzahl Seiten
560 S.
Preis
€ 49,00
von
Cenk Akdoganbulut, Zeitgeschichte, Universität Fribourg

Mit seiner 2019 erschienen Dissertation zu «Amerikabilder deutscher Rechtsintellektueller in der Bundesrepublik» geht der Historiker Darius Harwardt (Universität Duisburg-Essen) der Ambivalenz der Amerikabilder in den Diskursen der Nachkriegszeit nach. Die Studie fokussiert sich dabei auf die rechtsintellektuellen Imaginationen der USA und untersucht, wie diese als Projektionsfläche von Akteuren der Neuen Rechten instrumentalisiert wurden.

Im theoretischen Teil erläutert der Autor die Begrifflichkeiten der Arbeit, wobei er «Amerikabilder» dem normativ aufgeladenen Begriff «Antiamerikanismus» vorzieht. Ebenso spricht er hauptsächlich von «Rechtsintellektuellen» statt von «Neuen Rechten» und stützt sich damit auf ein Definitionsmerkmal, bei dem in der Forschung weitgehend Konsens herrscht. Der Autor analysiert einen breiten Quellenkorpus an Zeitschriften, Publikationen und Korrespondenzen rechtsintellektueller Kreise. Da die Arbeit von der frühen Nachkriegszeit bis zur Gegenwart reicht, integriert Harwardt auch Internetseiten und Diskussionsforen neurechter Gruppierungen in seine Untersuchung.

Die Studie beschränkt sich zwar vornehmlich auf deutsche Rechtsintellektuelle, bezieht aber auch etwa den Cheftheoretiker der französischen Nouvelle Droite Alain de Benoist aufgrund seiner Relevanz für nationalrevolutionäre und «konservativ-revolutionäre» Strömungen der Neuen Rechten sowie den Schweizer Armin Mohler, der als bedeutender Vordenker der deutschen Neuen Rechten gilt, mit ein. Die Dissertation ist in vierzehn Kapiteln unterteilt, wobei die sieben thematischen Kapitel durch drei Fallbeispiele zum NATO-Doppelbeschluss, zum Zweiten Golfkrieg und zu den Anschlägen vom 11. September 2001 ergänzt werden, welche die unterschiedlichen Amerikabilder im heterogenen neurechten Milieu exemplarisch darstellen sollen. Die Wahl der Fallbeispiele ist – an Bourdieu angelehnt – mit «kritischen Ereignissen» begründet und mit methodischen Überlegungen der Historikerin Ingrid Gilcher-Holtey ergänzt.

Harwardt zeigt eindrücklich, wie ambivalente Amerikabilder den Rechtsintellektuellen als Chiffre dienten, um diese für ihre nationalistischen deutschlandpolitischen Zielsetzungen zu verwerten. Negative Stereotype beschrieben die USA vor allem als einen Hort des Liberalismus und der kulturellen Dekadenz. Positive Amerikabilder hingegen waren in rechtsintellektuellen Kreisen durch die aussenpolitische Situierung der BRD bedingt, die die atlantische Partnerschaft als Schutzgarantie vor potenziellen sowjetischen Aggressionen interpretierten.

Der Autor macht dabei vier rechtsintellektuelle Gruppen aus, die um die Deutungshoheit ihrer Amerikabilder konkurrierten: Der «konservativ-revolutionäre» Kreis um Armin Mohler und Caspar von Schrenck-Notzing, die die führende neurechte Zeitschrift Criticón begründeten. Die USA wurden darin als Urheber der Reeducation und einer moralisierenden Aussenpolitik beschrieben, um damit eigene machtpolitische Zwecke zu verschleiern. Nichtsdestotrotz waren diesem als Diskussionsplattform konzipierten Theorieorgan immer wieder ambivalente Amerikabilder zu entnehmen.

Die zweite rechtsintellektuelle Gruppe politisierte im Umfeld der CDU, genannt sei etwa Kurt Ziesel mit dem Deutschland-Magazin, in dem der Antikommunismus gegenüber dem Antiliberalismus priorisiert und diese Linie auch konsequent durchgesetzt wurde.

Die um Henning Eichberg entstandene Nationalrevolutionären verteidigten ethnopluralistische Positionen und grenzten sich habituell von anderen rechten Strömungen ab. Ihnen erschien «ein McDonalds in der Fussgängerzone bedrohlicher als ein Panzer auf der Hauptstrasse» (S. 491). In ihrer radikalen Ablehnung der USA offenbarte sich auch eine strategische Inflexibilität, die trotz kulturalistischer Stereotype und antikapitalistischer Rhetorik keine Anschlussfähigkeit zu generieren vermochte.

Als letzte Gruppe werden Protagonisten des intellektuellen Rechtsextremismus mit der Zeitschrift Nation Europa und Deutschland in Geschichte und Gegenwart aufgeführt, die Kontinuitäten zu antiamerikanischen und antisemitischen Zuschreibungen des Nationalsozialismus aufwiesen, jedoch zumindest selektiv modernisierende Impulse aus den nationalrevolutionären und «konservativ-revolutionären» Kreisen aufnahmen.

Mit dem Präsidentschaftsantritt Ronald Reagans, der im rechtsintellektuellen Milieu vermehrt als Zeitenwende des Konservatismus gedeutet wurde, marginalisierten sich die zunächst doch zahlreichen neutralistischen Stimmen aufgrund mangelnder Anschlussfähigkeit an die etablierte Politik und orientierten sich stärker am amerikanischen Neokonservatismus. Diese Entwicklung verstärkte sich in den Debatten um den Zweiten Golfkrieg und den Islamismus als sich rechtsintellektuelle Diskurse mit rechtspopulistischen Argumentationen anreicherten.

Trotz der wiederholten Anführung von Modernisierungsprozessen bleibt allerdings deren konkreter Inhalt vage, hier wäre es interessant gewesen, mehr zu den Erneuerungsbestrebungen rechtsintellektueller Protagonisten zu erfahren, gerade bei nationalrevolutionären oder «konservativ-revolutionären» Figuren. Mohler etwa, welcher der zeitgenössischen Charakterisierung folgend als Gaullist dargestellt wird, instrumentalisierte den Gaullismus lediglich – analog zu den Amerikabildern –, um «konservativ-revolutionäre» Theorieelemente in moderner Verpackung in bundesrepublikanische Debatten einzuschleusen und beweist somit eine gewisse Adaptionsfähigkeit an die politische Struktur der Nachkriegszeit. Lohnend wären ausserdem Überlegungen zum Format und zum strategischen Zweck einzelner rechtsintellektueller Medien gewesen, die zum Teil etwas zu stark mit der ideologischen Haltung der Gründer beziehungsweise der vier unterschiedenen rechtsintellektuellen Gruppen identifiziert werden und somit die für die Neue Rechte so bedeutende strategische Dimension bisweilen verloren geht.

Trotz dieser kleineren Einwände bietet Harwardt eine äusserst lesenswerte Arbeit, die die rechtsintellektuellen Diskurse zu Amerikabildern klug mit ihren Protagonisten und Netzwerken verbindet und eindrucksvoll historisch kontextualisiert. Da der Autor nicht nur die Entwicklung der rechtsintellektuellen Amerikabilder über einen breiten Zeitraum nachzeichnet, sondern auch noch lebende Akteure in die Untersuchung integriert, ist diese angenehm zu lesende Studie auch für an der gegenwärtigen Neuen Rechten interessierte Leser bestens geeignet.

Zitierweise:
Akdoganbulut, Cenk: Rezension zu: Harwardt, Darius: Verehrter Feind. Amerikabilder deutscher Rechtsintellektueller in der Bundesrepublik, Frankfurt am Main / New York 2019. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 71 (3), 2021, S. 574-576. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00093>.